2023 Auf der Walz

Kinderferienlager – sind wir alle Geschwister?

Wie Sie der Lagerzeitung entnehmen können, ging diese Frage wie ein Lauffeuer durchs diesjährige Kinderferienlager. Vielleicht lag es zum einen daran, dass wir in diesem Jahr als „Handwerker“ unterwegs waren, auch Besuch bekamen von einer „echten“ Gesellin auf der Walz, im Gespräch berührt wurden davon, dass sie in ihrer Walzzeit von drei Jahren und einem Tag nicht in ihre Heimatgegend zurückkehren darf und dass zu Beginn einer Walz ein Walz-Geschwister mitgeht, um in die traditionellen Gebräuche einzuführen. Auch haben wir das uralte Handwerk eines Köhlers kennengelernt, wie einsam und zugleich innig verbunden er während zwei Wochen, Tag und Nacht bei seinem über lange Zeit aufgeschichteten und nun schwelenden Kohlenmeiler wacht. 

Zum anderen mag es daran liegen, dass wir uns an den Abenden, wenn wir im Helferteam vor dem Altar zusammenkamen, mit dem Himmlischen Jerusalem aus der Apokalypse des Johannes beschäftigten: Mit der Himmlischen Stadt, als Bild der zukünftigen Menschheit, die sich von oben her, vom Geistigen eines jeden Menschen hereinsenkt. Die Stadt und insbesondere ihre Strassen zwischen den Häusern sind aus reinem Gold beschaffen. 

Sind wir alle Geschwister? Normalerweise wachsen wir in einem Elternhause auf, in dem es zumeist bestimmte Familiengewohnheiten gibt, manchmal sogar eine besondere, gemeinsame Art zu sprechen, durch die wir uns verbunden, „verwandt“ fühlen. Wie aber ist es mit unserer Beziehung zum Nachbarhaus, zu einer anderen Seelengemeinschaft? Wie sind die Strassen als Verbindungswege von einem Haus zum anderen beschaffen? Gelingt es uns, Beziehung und Verbundenheit nicht nur zum Vertrauten, sondern auch zum Fremden aufzubauen und neue Geschwisterlichkeit zu bilden?

Im Himmlischen Jerusalem sind diese Strassen aus Gold, eine Substanz, die sonnengleich leuchtet und, wenn sie getrieben wird, sich fast unendlich ausdehnen lässt, ohne dabei den Zusammenhalt, die Verbundenheit zu verlieren. 

Im Kinderferienlager gibt es die gute Gewohnheit, dass die Kinder sich Paten, „Gotte“ oder „Götti“, aussuchen dürfen, jemanden, der nicht notwendigerweise ihr Gruppenleiter ist, sondern sich ihnen aus freier Verbundenheit, aus innerer Goldkraft, zuwendet. Wir üben dieses „Patenbewusstsein“ auch, indem wir uns gegenseitig wissen lassen, welche Augenblicke im Ferienlager für uns die kostbarsten sind und uns dann darin unterstützen – z.B. in der Stille am Abend vor dem Anzünden der Kerzen für den Abendkreis oder in der freudig bewegten Ausgelassenheit bei den Spielen oder im staunenden Einblick in die Grossküche, in welcher tatkräftig mitgewirkt werden darf…So kann das Kinderferienlager zu einem Ort werden, an dem golddurchwirkte Verbundenheitskraft ausgebildet wird, die sich auf immer mehr Menschen, irgendwann auf die ganze Menschheit ausdehnen will, mit der Frage: sind wir nicht alle Geschwister?

Von dieser golddurchdrungenen geschwisterlichen Stimmung durften sich auch die vier ukrainischen Kinder getragen fühlen, die in diesem Jahr mit dabei waren. Die Tatsache, dass diese Goldkraft immer wieder von neuem gebildet werden kann, verdanken wir allen, die das Kinderferienlager tätig mitgestalten oder in liebevollen Gedanken begleiten oder auch finanziell kräftig mittragen: in Form von Patenschafts-Spenden, die ermöglichen, dass alle Kinder, auch die vielen jugendlichen Helfer mitkommen können, unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern. Wir sind sehr dankbar über jegliche Unterstützung und freuen uns schon auf die zahlreichen golddurchwirkten Wege, auf welchen die Kinder im nächsten Sommer zu uns finden werden. 

Ferienlagerzeitung 2023